Aufruf: Recht auf Stadt kennt keine Grenzen!
21. Dezember 2013 – 14:00
Rote Flora, Achidi-John-Platz 1, Hamburg
Mit einer bundesweiten und internationalen Demonstration will die Rote
Flora am 21. Dezember gegen Räumungsandrohungen, für den Erhalt der
Esso-Häuser und ein Bleiberecht für die Lampedusa-Flüchtlinge auf die
Straße gehen. Wir wollen in einem eigenen bunten Block auf der Demo
lautstark und entschlossen unserer Forderung nach einem
vergesellschafteten öffentlichen Raum, der allen gehört, Nachdruck
verleihen. Denn: Recht auf Stadt kennt keine Grenzen!
„Rights are not given, they’re taken!“
Das Recht auf Stadt ist nur dann etwas wert, wenn es für alle Menschen
gilt. Recht auf Stadt bedeutet, dass alle Menschen ausnahmslos
entscheiden können, wo und wie sie leben möchten – in welchem Viertel,
welcher Stadt, in welchem Land und auf welchem Kontinent. Ob sie in
Mietwohnungen leben, eine autonome Lebensform gewählt haben oder aus
ihrer Heimat geflohen sind. Egal wie lange sie schon hier sind oder
woher sie kommen. Dieses ‚Recht‘, wie wir es verstehen, kann nicht
eingelöst werden, solange ‚illegale Einwanderung‘, ‚Duldung‘ oder der
Ruf nach ‚Integration‘ existieren. Wir wollen niemanden in das
bestehende System ‚integrieren‘, wir wollen auch keine Menschen an
unserer Seite ‚(er)dulden‘; wir wollen sie in unserer Mitte willkommen
heißen und mit ihnen auf Augenhöhe gemeinsam entscheiden, wie wir
zusammen leben wollen. Dabei liegt die Stärke der
Recht-auf-Stadt-Bewegung gerade darin, die unterschiedlichen
Ausgangssituationen der Menschen anzuerkennen, sich aber auf das
Gemeinsame zu konzentrieren.
Freedom of movement, Freedom to stay!
Kein Tag vergeht, an dem nicht gegen die europäische Asylpolitik und für
ein Bleiberecht der 300 Hamburger Lampedusa-Flüchtlinge gekämpft wird.
Diese anhaltende Welle antirassistischer Proteste gegen die Politik des
Hamburger Senats wäre ohne die beeindruckende Selbstorganisation der
Geflüchteten so nicht möglich gewesen. Sie ist nicht einfach eine
Reaktion auf die neuesten Berichte über Tote an den EU-Außengrenzen. Die
Solidarität mit „Lampedusa in Hamburg“ speist sich aus der Idee von
gleichen Rechten für alle Menschen, aber auch aus eigenen Erfahrungen
vieler hier lebender Menschen, lediglich als ökonomisches Objekt
funktionieren zu müssen. In einer Stadt, die zunehmend dem Markt
überlassen wird, die unter rein profitorientierten Akteuren verteilt
wird, werden auch die Menschen, die in ihr leben, ausschließlich unter
monetären Gesichtspunkten beurteilt: Wer sich die Stadt wegen enormer
Mietsteigerungen und Lebenshaltungskosten nicht mehr leisten kann, wer
nicht ins wohl sortierte Umfeld zu passen scheint, also arm ist oder die
„falsche Herkunft“ hat, wird an die Ränder der Stadt verdrängt – er oder
sie wird unsichtbar gemacht.
Wohnraum besetzen, bewohnen, vergesellschaften!
Nicht nur auf den Straßen der Viertel wird die soziale Spaltung der
Stadtbewohner_innen immer deutlicher: Die einen residieren in
millionenschweren Villen, die anderen in Bruchbuden, die sie sich vom
Mund absparen müssen, und die Menschen, nach denen keiner fragt, in
Lagern oder auf der Straße. Wenn Vermieter und Immobilienunternehmen
ihre Wohnungen nicht mehr an „ausländisch“ klingende Personen vermieten,
wird deutlich, dass auch institutioneller Rassismus den Wohnungsmarkt
prägt. Deshalb reicht es nicht, ein paar tausend neue Wohnungen zu
bauen. Wir müssen die kapitalistische Organisation des Wohnraums
grundlegend in Frage stellen! Für uns heißt das zum Beispiel, Häuser und
Wohnungen als Allgemeingut zu begreifen, Wohnraum unter die Kontrolle
seiner Nutzer_innen zu stellen und neue gesellschaftliche Regelungen zur
Vergabe von Wohnraum jenseits von Markt und Staat zu entwickeln.
ESSO-Häuser: United we stand – divided we fall!
Ein weiteres Beispiel dieser profitorientierten Logik des
Wohnungsmarktes sind die ESSO-Häuser auf St. Pauli. Jahrzehntelang
wurden die Häuser nicht instand gesetzt, nun verhandelt die Politik
hinter verschlossenen Türen über den Abrissantrag der Bayerischen
Hausbau. Der Widerstand für den Erhalt und die Sanierung der Häuser plus
des Gewerbes und gegen den Bau hochpreisiger Wohnungen und
Eigentumswohnungen ist vielfältig und hat bislang erreicht, dass die
Mieter_innen das Viertel nicht verlassen müssen. Aber, es geht ums
Ganze! Wer entscheidet eigentlich darüber, was mit dem Gelände passiert?
Deshalb: Beteiligung und Transparenz jetzt! Die Auseinandersetzung ist
noch längst nicht vorbei und zeigt, dass es bei diesem Konflikt um weit
mehr als nur um die ESSO-Häuser geht.
Ihre Sicherheit ist nicht die unsere!
Der ökonomische Irrwitz, der sich entlang dieser und anderer Risse durch
die Stadt zieht, verlangt nach Sicherheit für ihre Profiteure. Wer nicht
freiwillig aus seinem Wohnraum auszieht, wird mit Repressalien
überzogen, durch die Justiz individualisiert und zwangsgeräumt. Wer
fremd erscheint, wird durch Racial Profiling eingeschüchtert und
kriminalisiert, ganze Gefahrengebiete eingerichtet, um
Persönlichkeitsrechte zum Schutz dieser Menschen auszuhebeln. Die
Abschottung der Grenzen der EU und Deutschlands wendet sich explizit
gegen die ‚Überflüssigen‘ und ‚Entrechteten‘, deren Leid durch die
Wirtschafts- und Außenpolitik der westlichen Länder erst mit verursacht
wurde. Frontex und Eurosur verhindern nicht das Ertrinken von Menschen:
Abschottung und Abwehr sind die alleinigen Ziele dieser militärisch
angelegten Abwehrmechanismen. Haben die Geflüchteten es doch nach Europa
geschafft, werden sie durch die Dublin-Verordnungen auf eine zweite
Flucht durch den Kontinent gezwungen.
Beides, Stadt- und Migrationspolitik, folgen derselben ökonomischen
Logik. Darum sind wir der Überzeugung, dass sich auch die Kämpfe um die
Städte mit dem Kampf um globale Bewegungsfreiheit verbinden müssen.
Deshalb protestieren wir am 21. Dezember dafür, dass alle Menschen in
dieser Stadt – ob mit oder ohne Pass – selber entscheiden können, wo und
wie sie leben möchten.
Die Stadt gehört allen!
Weg mit Dublin II+III, Frontex und Eurosur! Fluchtwege nach Europa öffnen!
Keine Profite mit der Miete! Wohnraum vergesellschaften! Flora und
Esso-Häuser bleiben!
Unterzeichner_innen (Stand 14.12.):
AK*Kate; Anarchistische Gruppe/Rätekommunisten; Assoziation A;
Arbeitskreis Umstrukturierung Wilhelmsburg; AStA der Hochschule für
Angewandte Wissenschaften; Avanti – Projekt undogmatische Linke; BaSchu
e.V.; Bewohner*innenPlenum Hafenstraße; BFS-Jugend Zürich; Bündnis
Mietenwahnsinn stoppen; Bündnis Schlaflos in Hamburg -Mietenwahnsinn
stoppen; Café Creisch (Uni Hamburg); Dachverband autonome Wohnprojekte
Hamburg; Fanclub Alte Schule Sankt Pauli; FelS – Für eine linke
Strömung; Filmclub Moderne Zeiten – Hafenvokü; Flüchtlingsrat Hamburg
e.V.; FSR Germanistik (Uni Hamburg); FSR Sozialwissenschaften (Uni
Hamburg); Gängeviertel e.V.; Initiative Esso-Häuser; internationale
sozialistische linke; Interventionistische Linke; Kontrabar (HAW
Hamburg); La Datscha (Potsdam); Leerstandsmelder Hamburg; Linksjugend
[‘solid] Soltau; Medibüro Hamburg; Multi Press; Nachbarschaftstreffen
Holstenstraße; Netzwerk für den Erhalt des Sternschanzenparks; PRP –
Projekt Revolutionäre Perspektive; Ragazza e.V.; Schwabingradballett;
SDS* Hochschulgruppe (Uni Hamburg); Solidarität mit Migrant*Innen
(Lüneburg); SOS St. Pauli; Sprachraum/Café Exil; Stadtteilinitiative
Münzviertel; T-Stube (Uni Hamburg); ver.di Jugend Hamburg; Plenum des
Wagenplatzes Zomia; St.Pauli-Manifest – Wir sind mehr; Wohnprojekt Gure
Etxea; Wohnprojekt Jägerpassage; Wohnprojekt Villa Magdalena K.
Wenn ihr den Aufruf als Gruppe unterstützen möchtet, dann meldet euch
unter folgender Mailadresse: mietenwahnsinn@rechtaufstadt.net