Reflektion unserer Verwendung des Begriffs “landlos”


resistanceisfertileIn Flyertexten verwendeten wir den Begriff “Landlose”, oder “landlos”, für uns als Menschen, die nach Zugang zu Land streben. Obwohl wir uns Gedanken machten ob die Verwendung in unserem Fall passend sei oder nicht, fand er sich in unseren Texten. Uns war daran gelegen, zu zeigen, dass Formen von Landgrabbing und eine strukturelle und politische, profitorientierte Verhinderung vom Zugang zu Land bestimmter “Gesellschaftsgruppen” auch in Europa, auch in Österreich Praxis ist. Nicht nur in den durch (neo-)kolonialen Diskurs als “unterentwickelt” und “anders” konstruierten Regionen der Welt wird der Zugang zu Land ungleich reglementiert und kämpfen Menschen um Land, das denen zugestanden werden sollte, die es nutzen. Wir sahen die Politiken um Zugang zu und Umgang mit Land in Österreich als nicht besonders bekannt oder befriedigend kritisert, und wollten sie durch SoliLa sichtbarer machen. Junge Menschen, kapitallos, mit dem Bestreben eine alternative Landwirtschaft aufzubauen und sich die Kontrolle über die Lebensmittelproduktion wieder selbst anzueignen.
Wir finden uns aber in einem ganz anderen Kontext verortet, als beispielsweise das Movimento Sem Terra (MST), die Landlosenbewegung in Brasilien, die in der Selbstbezeichung das Wort “landlos” mit einer politischen Realität belegt, die wir hier so nicht teilen.
Es ist eine (neo-)koloniale Praxis und auch ein verbreitetes Phänomen in der “linken Szene”, sich Begriffe und Symbole von Kämpfen der durch koloniale Herrschaft Unterdrückten anzueignen, an der mensch durch die eigene Position selbst beteiligt ist. Dies lässt das eigene Projekt vielleicht stärker, international vernetzt und solidarisch wirken, bewegt sich aber auf der wackeligen Grenze zwischen appreciation und appropriation. Oft werden Symbole kommerzialisiert und schmücken einen “alternativen Lifestyle” weißer privilegierter Menschen, wie beipielsweise Che Guevara-Fähnchen, “Mitbringsel” aus den Amerikas, die sich als Kolonialtrophäen auch in Studi-WG’s finden, das Tragen von Dreads, etc. Die Verwendung des Begriffs “Landlose” in unserem Kontext, in unserer Gruppe, die weiß und studentisch dominiert ist, kann als Teil beschriebener Macht- und Dominanzbeziehungen gesehen werden. Wir hätten/haben wahrscheinlich größtenteils immernoch andere Möglichkeiten und Zugänge zu Ressourcen, selbst wenn wir, oder solange wir, (noch) kein Land bewirtschaften können. Aus einer privilegierten Position heraus können wir uns eher entscheiden ob und wie wir Landwirtschaft machen wollen und haben theoretisch eine größere Wahl der Zugänge zu Land. Z.B. werden uns bestimmte Strategien zum Zugang zu Land nicht durch rassistische Gesetzgebungen und Alltagspraxen erschwert und verunmöglicht.
Um trotzdem auf die anfangs genannten europäischen/österreichischen Zustände und Politiken aufmerksam machen zu können, müssen wir das nicht über den Begriff der Landlosen tun. Wir sind zwar ohne Land, und der Zugang zu selbigem wird uns erschwert. “Landlos” jedoch mit “ohne Land” gleichzusetzen, würde den politischen Entstehungskontext der Landlosenbewegung und koloniale Kontinuitäten in unseren eigenen Kämpfen unsichtbar machen. Deshalb wollen wir uns selbst andere und neue Worte vorschlagen, die die Auseinandersetzung mit der politischen Bedeutung von “landlos” sowie globale und österreichische Praxen im Interesse des Kapitals gleichzeitig ausdrücken sollen. Folgende kreative Möglichkeiten sind uns bei einem ersten brainstorming eigenfallen 😉 :

– landsuchend
– “landlos”
– land_los
– land*los
– bodenlos
– grundlos
– landstrebend (im Sinne von engl. “peasant prospective” im Reclaim the Fields und Via Campesina- Zusammenhang)
– landaneignend
– landzugänglich
– landteilend


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